Weltpremiere mit Problemen

Am 16. Mai 1982 war es endlich soweit. Der neue Gruppe-C-Porsche, in der Rekordzeit von nur neun Monaten entwickelt,  durfte -nach ausgiebigen Testfahrten im heimischen Weissach und Paul Ricard- endlich in einem Rennen zeigen was er konnte.

Naja, zumindest im Training. Im Rennen selbst durfte der 956 nur rollen.

Aber der Reihe nach.

Bei Porsche, dieser Präzisionsfirma aus Stuttgart, hatte man schlicht nicht daran gedacht, daß es sich hier nicht um ein 1000km-Rennen handelte, sondern um ein 6h-Rennen. In sechs Stunden aber kann man auf schnellen Strecken wie Silverstone knapp 1200 km fahren - statt 1000 km. Für 1200 km aber reichte der Sprit keinesfalls aus. Jedenfalls nicht bei echtem Renntempo. 

 

Bild links: Das offizielle Rennprogramm

Das neue Reglement aber bestimmte, daß man bei diesem Rennen insgesamt vier Tankstopps einlegen durfte.  Zu wenig, um wirklich Rennen zu fahren. Die Bosch-Motronic 1.7 gab es noch nicht, und mit dem Ladedruck konnte man auch nicht viel “spielen”, da das Triebwerk ein schmales Leistungsband hatte und auf 1,2 bar abgestimmt war. Laut Valentin Schäffer konnte man max.  0,1 bar nach oben oder unten abweichen.

Im Training einsam an der Spitze: Werks-Porsche 956

Normalerweise könnte man jetzt meinen, daß das Treibstoffproblem keine Rolle spielte, da alle Teilnehmer von diesem Problem betroffen waren - aber weit gefehlt. Im Übergangsjahr durften auch noch die alten Gruppe 5 und Gruppe 6 starten. Sie bekamen zwar keine WM-Punkte, mußten aber auf den Verbrauch nicht so sehr achten, da es andere Regeln für diese Wagen gab.

Lancia nutze diese Chance zur Show und brachte -zur Verärgerung der anderen Gruppe-C-Teams- zwei LC1 an den Start. Einen Erfolg rechnete man sich gegen Porsche in der Weltmeisterschaft eh nicht aus, also wollte man Porsche mit Gesamtsiegen ärgern.

Stuck/Heyer pilotierten den Sauber-SHS C6, mit der bekannten BASF-Lackierung. Insgesamt ein sehr schönes Fahrzeug. Ein zweiter SHS C6 wurde von Walter Brun und Siggi Müller jr gesteuert. Das Triebwerk des SHS C6 entsprach dem Stand des C100-Triebwerks und leistete entsprechend 540 PS. Die Höchstgeschwindigkeit des Wagens lag bei etwa 345 km/h. Der Groundeffekt des SHS C6 war nur sehr schwach ausgeprägt. Kein Vergleich zum Porsche 956.

Hans Heyer im Sauber-SHS C6

Winkelhock/Ludwig starteten auf einem Ford C100. Erich Zakowski durfte endlich das Zepter übernehmen und hatte den Wagen rennfertig gemacht.


Winkelhock/Ludwig im Ford C100

Aston-Martin, Rondeau, Grid und Lola brachten weitere neue Gruppe C an den Start. Dazu kam der von Jöst umgebaute Porsche 936C von Wollek und den Gebrüdern Martin. WM-Peugeot nutzte die Silverstone-Chance um am Top-Speed ihres Wagens zu arbeiten.

Training

Das erste Training nutzte Porsche, “überrascht” von der Tatsache, daß es sich hier um ein 6h-Rennen handelte, zu Verbrauchsfahrten. Man fand dabei heraus, daß man mit einem Ladedruck von 1,08 bar und Rundenzeiten um die 1:25 min einen guten Kompromiss gefunden hatte. Trotzdem machte sich Angst bei Porsche breit. Angst, ohne Sprit im Rennen liegen zu bleiben. Denn gerade Porsche war ein Befürworter des neuen Verbrauchsreglements.

Die beiden Lancia LC1 standen nach dem ersten Training vorn. Im zweiten Training durften die Porsche-Werksfahrer dann richtig Gas geben - und verpassten dem schnellsten Lancia eine gute Sekunde! Die Überlegenheit des neuen Porsche 956 wird besonders deutlich, wenn man die Zeit mit den direkten  Konkurrenten der Gruppe C vergleicht: Der Ford C100 bekam glatte 3 Sekunden eingeschenkt!

Rennen

Das Rennen begann für einen Porsche-Fan enttäuschend. Man kam am Sonntagmorgen nach Silverstone, sah den 956 auf der Pole und erwartete eine Porsche-Show - und musste erleben, wie die Gegner Kreise um den neuen 956 fuhren. Vor Ort war uns nichts von den Treibstoff-Problemen bekannt. Wie auch, wenn selbst Porsche überrascht wurde...

Lancia setzte sich vom Start weg in Führung. Dahinter begann die Spritspar-Meisterschaft. Die 3,9-Liter-Ford -Triebwerke waren genügsamer als das 2,6 Liter-Turbo-Triebwerk des 956, hatte aber auch weniger Leistung - und rüttelte arg an der Aufhängung des Triebwerks. Ein Problem, mit dem alle Teams, die dieses Triebwerk einsetzten, zu kämpfen hatten.

Es war faszinierend anzusehen, wie einige Gruppe C aus der Woodcote-Schikane rausbeschleunigt kamen und die Wagen dann aufgrund des Speeds ruckartig versetzten. Der Groundeffekt war bei den meisten Gruppe C-Wagen wohl noch nicht so ausgeprägt. Und der Wagen, der über funktionierenden Groundeffekt verfügte, wurde spazieren gefahren. Selbst die C100, im Training um drei Sekunden(!) deklassiert, konnten dank des geringeren Verbrauchs schneller als der 956 fahren. Der 3,9-Liter Ford-Motor hatte zwar einen Verbrauchsvorteil, aber auch einen entscheidenden Nachteil: Er produzierte extreme Vibrationen, was dem C100 in diesem Rennen noch zu schaffen machen sollte.

Der Sauber-SHS C6 in Maggotts

Ickx fuhr den ersten Turn und bewegte den 956 in Zeiten um die 1:24 min um den Kurs. Aber nach bereits 53 Minuten mußte der Werks-Porsche die Zapfsäule anfahren. Zu früh! Also lautete die neue Marschvorgabe: Rundenzeiten um die 1:28 min. Höchststrafe nicht nur für die Fahrer! Als verwöhnter Porsche-Fan, und mit dem Wissen aus den vorherigen Testfahrten in Paul Ricard -und der Trainingzeit- gab es nur ein Ziel: Klarer Sieg!


Der Werks-Porsche beim Boxenstopp

Unauffällig auf Platz 9: Dören/Lässig


Moretti/Baldi - Platz 7 im “Moby Dick”

Das Jöst-Team hatte einen Porsche 936 für das Gruppe C - Reglement modifiziert und setzte den Wagen mit gewissen Erfolgsaussichten ein. Die enorme Langstreckenerfahrung des Reinhold Jöst machte sich bezahlt und der 936C lag gut im Rennen.

Wollek/Martin/Martin im Porsche 936 C

Der Ford C100 bekam technische Probleme und man begann zu schrauben. Insgesamt verlor man 14 Runden auf den Porsche 956, um den man vorher Kreise gefahren war. Und auch die anderen Gegner wurden von der Defekthexe gebeutelt. Nicht ungewöhnlich bei dem ersten Rennen nach neuem Reglement. Einzig der Porsche 956 lief wie ein Uhrwerk. Kein Wunder, er wurde ja um den Kurs getragen.

Letztendlich reichte es dem 956 zum ersten Sieg. Allerdings “nur” in der Gruppe C. Den medienwirksamen Gesamtsieg fuhr der Lancia LC1 von Patrese/Alboreto raus.


Ein sehr seltenes Bild: Lancia überrundet einen Werks-Porsche

Mit diesem ersten Sieg begann eine Serie von Siegen und Rekorden wie es sie bis dato noch nicht gab. Und selbst noch 7 Jahre später(!!!) sollte dieser Wagen -als Porsche 962- für Siege in der Langstreckenweltmeisterschaft gut sein.